Warum „FMEA 4:0“ uns hilft!

Ob mit dem neuen FMEA Handbuch wirklich die vierte „FMEA-Revolution“ begann, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Fakt ist, dass mit dem neuen FMEA Handbuch und dem darin enthaltenen 7-Schritte Ansatz ein gelungener Standard im August 2019 verabschiedet wurde.

Ein kleiner Rückblick der letzten 2 Jahre ab der neuen FMEA Zeitrechnung

Die Herausforderungen:

  • Es waren die unterschiedlichen Vorgehensweisen beider Parteien, die sich teilweise sehr unterschiedlich entwickelt hatten, der AIAG (USA) und dem VDA (Deutschland), zu harmonisieren!
  • Angeblich über 4000 Rückmeldungen nach Veröffentlichung des Gelbbandes waren zu bearbeiten – und jeweils in die andere Landessprache zu übersetzen!
  • Die veraltete und wenig brauchbare Risiko-Prioritäts-Zahl (RPZ) musste mit etwas „brauchbarerem“ ersetzt werden.

Was hat sich verändert? Was ist neu?

1. Der 7-Schritte Ansatz:

Hier hat sich klar die etablierte deutsche Vorgehensweise durchgesetzt. Die deutsche Herangehensweise mit den 5 Schritten (siehe unten Schritte 2 bis 6), war das Herzstück der FMEA. Alternativ sind Block-/Boundary- (für die D-FMEA), Prozess-Fluss- (für die P-FMEA) und Parameter-Diagramme (für die D- und P-FMEA) zulässige Methoden und können weiterhin mit dem FMEA-Formblatt (z. B. als Exceldatei) genutzt werden, wenn gewünscht.

Die 7 Schritte:

Schritt 1: Planung und Vorbereitung Schritt 2: Strukturanalyse Schritt 3: Funktionsanalyse Schritt 4: Fehleranalyse Schritt 5: Risikoanalyse Schritt 6: Optimierung Schritt 7: Ergebnisdokumentation

Chance: In den 7 Schritten sind die 5 Schritte nach früherem VDA-Band 4 integriert und bei der FMEA Erstellung hat sich somit nicht wirklich viel geändert.

Risiko: Wer die früheren 5 Schritte nicht eingesetzt hat, wird sich weiterhin schwertun. Vor allem am Schritt 3, der Funktionsanalyse, scheitern nicht wenige. Nicht selten sehe ich lange Gesichter nach meiner Frage in meinen FMEA Seminaren: „Die 7 Schritte sind nicht wirklich neu, 5 davon kennen Sie ja schon!“

2. Die neue Bewertungstabellen:

Hier gab es in der Vergangenheit die größten Unterschiede. Bewertungstabellen nach AIAG und VDA waren nicht wirklich vergleichbar. Was tun, wenn ein Produkt sowohl für einen Kunden hergestellt wurde, der eine Bewertung nach AIAG- und ein anderer Kunde, der die Bewertung nach VDA-Schlüssel gefordert hatte? Eine fast nicht zur Zufriedenheit bewältigende Herausforderung. Aus meiner Sicht sind die Bewertungstabellen gut gelungen und eine Bewertung kann einfacher durchgeführt werden, weil die Beschreibungen klarer gefasst sind.

Chance: Die Hoffnung ist, mit einem Bewertungsschema alle Kunden (und sich selbst natürlich) zufrieden zu stellen.

Risiko: Bestehende FMEAs aus früheren Zeiten, können nicht automatisch 1:1 übernommen werden; die Bewertungen sind anzupassen, wenn man eine bestehende FMEA in das neue Format transferieren möchte.

3. Die RZP ist tot - es lebe die AP!

Nun war die Risiko-Prioritäts-Zahl (RPZ) in der deutschen Bewertung nach VDA-Band 4 fester Bestandteil. Wer hat’s gekannt? Wer hat’s genutzt? Meinen Schätzungen nach weit weniger als die Hälfte aller Unternehmen, in der Automobilindustrie, wohl gemerkt. Ein Zankapfel dürfte wohl die neue Aufgabenpriorität (AP) sein, die die RPZ ersetzt hat: „Die Aufgabenpriorität dient nicht der Priorisierung von hohen, mittleren und niedrigen Risiken, sondern der Priorisierung der Maßnahmen zur Risikoreduzierung“, lesen wir im FMEA Handbuch (Seite 67). Also nichts mit RPZ 2.0. Auch unterliegt der Bestimmung der AP keine mathematische Formel, wie B x A x E, da die Gewichtung eine andere ist: Am stärksten wird die Bedeutung (B), dann das Auftreten (A) und zu guter Letzt die Entdeckung (E) gewertet.

Chance: „Schaut Euch die einzelnen Bewertungen an. Nicht die Aufgabenpriorität, sondern die einzelnen Bewertungen bestimmen das Risiko!“ möchte man den FMEA Team entgegenbrüllen. Endlich; gut so. Tipp: Nutzen Sie die letzte Spalte für produkt- und unternehmensspezifische Beispiele.

Risiko: In manchen Foren lese ich (mit einiger Bestürzung), wie man seine bisherigen Bewertungstabellen überarbeitet hat, oder wieso man einen Mix aus RPZ und AP großartig findet. Wir brauchen keine neuen Weisheiten, der neue Standard ist gesetzt! Meine Meinung dazu: Wer’s nicht verstanden hat, dem kann nicht mehr geholfen werden.

4. Was noch?

Alles ist definiert! Und mit ALLEM meine ich ALLES. Beispiele gefällig?

  • Was ist ein Fehler? – Kapitel 2.4.2 - Seite 47 und Kapitel 3.4.2 – Seite 91
  • Die Analyse ist qualitativ (subjektiv), nicht quantitativ (messbar). Es werden Einzelfehler betrachtet, keine Mehrfachfehler – Grenzen der FMEA: Seite 17
  • Was heißt Bedeutung? – Kapitel 2.5.7 - Seite 59 und Kapitel 3.5.6 – Seite 104
  • In der FMEA werden (nur) technische Risken betrachtet (Seite 15 und 16)
  • Welche Rolle spielt das Management – Kapitel 1.3.2 - Seite 19 und Kapitel 3.5.6 – Seite 104
  • Was ist diese komische, neue FMEA Methode? – Kapitel 4 – ab Seite 122: FMEA Ergänzung für Monitoring und Systemreaktion (FMEA-MSR)

Fazit

Die/ der eine oder andere erfahrene FMEA Moderator:in wird sicher das eine oder andere auszusetzen haben. Es galt zwei Methoden, die sich über die Jahre immer weiter weg bewegt haben zu harmonisieren. Das ist gelungen. Eine Basis ist gelegt, um sich auf die Risiken zu konzentrieren und nicht wie ich dem AIAG- oder VDA-Kunden die FMEA zu erstellen habe. Hut ab; klasse Leistung!

Geschrieben von: Roland Blank

Managementberater / Trainer