Warum eins und eins nicht immer zwei ergibt

Was ist SPC? Und welche Kennwerte sind wichtig?
Eigentlich gibt es in der Mathematik keine zwei unterschiedlichen Ergebnisse, bei gleichen Verhältnissen (sofern man den Zufall außer Acht lässt).

Bei der statistischen Prozesslenkung, kurz SPC (vom Englischen: Statistical Process Control) führen bekanntlich mehrere Wege nach „Rom“. Jeder Statistiker kennt den Mittelwert und die Streuung.

Die Indizes (Bezeichnungen), wie µ (Mittelwert einer Grundgesamtheit), x-quer (x̅ = Mittelwert einer Stichprobe) sind allen bekannt. Bei der Streuung sollte jeder den Range (die Spannweite; siehe Abstand der roten Striche im Bild des Menschen von Leonardo da Vinci) kennen:

Besser als die Spannweite ist der Kennwert für die Streuung; die Standardabweichung (Sigma (σ) = Standardabweichung der Grundgesamtheit und „s“ = Standardabweichung der Stichprobe), weil sie bei der Berechnung das Verhältnis (Abstand) jedes einzelnen Werts, zum Mittelwert berücksichtigt.
Diese Werte sind bei der Berechnung der Kennwerte zur Prozesssicherheit, wie z. B. des Cp- und Cpk-Wertes, von Bedeutung. Berechnet werden, sofern eine Normalverteilung vorliegt, folgendermaßen:
Cp = Toleranz durch 6x Streuung und Cpk ist der kleinere Wert des unteren Cpu- oder des oberen Cpo-Wertes (Abstand des Mittelwerts zu einer Toleranzgrenze durch 3x Streuung).
Der Cp-Wert betrachtet also nur das Verhältnis der Streuung zur Toleranz und der Cpk-Wert betrachtet zusätzlich noch die Lage, die durch den Mittelwert bestimmt ist.
Für die Mathematikinteressierten unter uns (oder auch nachzulesen bei [linke url="https://de.wikipedia.org/wiki/Prozessf%C3%A4higkeitsindex" title="Wikipedia: Prozessfähigkeitsindex"]) die Formeln dazu:

Zwei Beispiele hierzu:

  1. Linkes Beispiel: Verteilung genau in der Mitte der Toleranz. Cp-Wert = Cpk-Wert.
  2. Rechtes Beispiel: Verteilung nicht in der Mitte der Toleranz. Cp-Wert ≠ Cpk-Wert.
    Cpk-Wert < Cp-Wert. Der Cpk-Wert ist in diesem Fall, der Cpo.

Cp = 1,33 Cpu = 1,33 Cpo = 1,33 Cpk = 1,33

Cp = 1,33 Cpu = 2,0 Cpo = 0,67 Cpk = 0,67

So weit, so gut und eigentlich alles ganz einfach, oder?

„Wenn zwei das Gleiche tun, ist es doch nicht dasselbe!“

…sagt ein altes Sprichwort; in dem viel Wahres steckt.
Bei der Berechnung von Prozessfähigkeiten nehmen wir den Mittelwert x̅, oder den Mittelwert aller Mittelwerte, den x̅̅? Für die Streuung wäre die Spannweite (R) ganz angenehm, oder doch der R̅ (der Mittelwert aller Spannweiten). Da wären noch die klassische Standardabweichung (s), oder die Varianz von derselben (s2 = quadrierte Standardabweichung); nur um die Gängigsten zu benennen.

Die Via Appia, die (eine) berühmte Straße, die damals nach Rom führte, gibt es in der Mathematik dann doch nicht immer. ISO-Normen , wie z. B. die ISO 22514-2, haben die Berechnungen zur Statistik und Prozessfähigkeit standardisiert. Theoretisch ist es ihnen gelungen; hilft zu den o. g. vielen Möglichkeiten aber nicht weiter. Außerdem richtet sich nicht jeder danach. In der Automobilindustrie gibt es derzeit ein Dilemma.

Kundenspezifische Vorgaben regeln Berechnungen von Prozessfähigkeiten. Jede Vorgabe etwas anders. Teilweise große Unterschiede gibt es zwischen uns und den Nachbarn über dem großen Teich, der USA. Die AIAG (Automotive Industry Action Group) in den USA und der VDA (Verein deutscher Automobilhersteller) haben sich in Punkto Mathematik zur Berechnung von (Prozess-) Fähigkeiten in den letzten Jahren nicht gerade aufeinander zu bewegt.

Die Lösung: Eine Harmonisierung muss her!

Das hat man erkannt.
Dass man Methoden, die eigentlich das gleiche Ziel haben, aber die Wege dahin unterschiedlich sind, zu einem Standard zusammenführt, haben AIAG und VDA 2018 schon bewiesen und den gemeinsamen AIAG-VDA-Band, das „FMEA-Handbuch“ veröffentlicht.

(Quelle: VDA QMC Webshop: FMEA-Handbuch)

Eine Projektgruppe beim VDA ist im Moment dabei, die Harmonisierung für SPC mit der AIAG zusammen zu gestalten. Siehe auch hier: VDA QMC: Projektgruppen.
Erste Ergebnisse sehen sehr brauchbar aus.
Vielleicht wirft man den Mittelwert und die Streuung über Bord und konzentriert sich nur auf die Überschreitungsanteile¹? Ein Gelbband (letzter Entwurf vor der finalen Freigabe eines Rotbands) wird uns im 3. Quartal dieses Jahres in Aussicht gestellt. Der Rotband soll bis spätestens Mitte 2026 fertiggestellt sein.
Wir wünschen den Beteiligten ein gutes Händchen, bei der Definition der „Via Appia“ zur Prozessfähigkeit und sind sehr gespannt welcher neue/ alte Standard zur statistischen Prozesslenkung für die Automobilindustrie dabei herauskommt.

¹Anmerkung: Die Überschreitungsanteile ist eine andere anerkannte Methode, die ebenfalls zur Berechnung von Prozessfähigkeiten verwendet werden kann und findet u. a. bei nicht-normalverteilten Verteilungen Verwendung. Siehe ISO 22514-2 oder Bosch-Heft Nr. 9 (Maschinen- und Prozessfähigkeit), u.a.

Geschrieben von: Roland Blank

Herr Blank ist Managementberater und Trainer bei TQM Training & Consulting. Er ist zuständig für den Bereich QM Automotive und die VDA-lizensierten Seminare. Insbesondere sind dies die Qualitätsmanagementanforderungen der Automobilindustrie für das Qualitätsmanagementsystem, die Qualitätsmethoden und die Umsetzung der VDA Bände und VDA Schriften.

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