Die Geschichte der Automotive Core Tools In den 1990er-Jahren hat die AIAG (Automotive Industry Action Group) 7 Referenzhandbücher verabschiedet, die in sich zusammen ein rundes Bild abgeben. Die QS-9000 und die QSA, die die Anforderungen an ein Qualitätsmanagementsystem in der Automobilindustrie definierten und den Fragenkatalog gleich mitlieferte, wurden durch die ISO/TS 16949 (heute IATF 16949) abgelöst.
Die restlichen 5 (6) Referenzhandbücher haben nach wie vor Gültigkeit, wobei eines in den harmonisierten Band der AIAG und des VDA überging, das FMEA Handbuch, und eines neu hinzugekommen ist, Control Plan, der vorher Inhalt des APQP Referenzhandbuchs war.
Diese Gruppe an Referenzhandbücher und Anforderungen nennt man auch die „Automotive Core Tools“, die Kernmethoden der Automobilindustrie.
Die 6 Referenzhandbücher im Einzelnen:
1. APQP (Advanced Production Quality Planning): Qualitätsvorausplanung
2. FMEA (Failure Mode and Effects Analysis): Fehlermöglichkeits- und Einfluss-Analyse
3. MSA (Measurement System Analysis): Messsystemanalyse
4. SPC (Statistical Process Control): Statistische Prozesslenkung
5. PPAP (Production Part Approval Process): (Produktions-) Teile-Freigabe-Verfahren
6. Control Plan: Produktionslenkungsplan
In der nachfolgenden Gegenüberstellung sehen Sie die 6 Referenzhandbücher und die Pendants des VDAs:
Anmerkung: Teilweise wird auch die 8D-Methode, der Control Plan/ Produktionslenkungsplan (PLP) und die Besonderen Merkmale zu den Automotive Core Tools dazugezählt, da diese Methoden sehr miteinander zusammenhängen.
Die Qualitätsvorausplanung bildet den „Deckel“ über den anderen Methoden, die alle in der Zeit vor dem Serieneinsatz eines Produktes und teilweise auch darüber hinaus Anwendung finden. Die nächste Grafik soll dies verdeutlichen:
Im ersten Quartal dieses Jahres hat die AIAG eine überarbeitete Fassung des Referenzhandbuchs APQP verabschiedet und zusätzlich die Methodik des Control Plans in ein neues Referenzhandbuch gepackt
Was ist neu im APQP Referenzhandbuch? Mit der 3. Auflage ist seit März (offizieller Release in den USA) das neue APQP-Referenzhandbuch verabschiedet worden und mittlerweile auch in Deutschland verfügbar; wenn auch nur in der englischen Fassung, wie alle anderen Referenzhandbücher auch.
Die wesentlichen Änderungen im Detail anschauen:
1. Control Plan:
Der Control Plan ist nicht mehr Bestandteil des Referenzhandbuchs und muss separat erworben werden.
Unsere Meinung dazu:
Änderungen im Control Plan können gemacht werden, ohne dass das ganze Referenzhandbuch geändert werden muss.
2. Safe Launch:
Erweiterung des Control Plans um eine vierte Phase: „Safe Launch“ damit die Überführung der Qualitätsvorausplanung in die Serie besser gelingen kann.
Unsere Meinung dazu:
Die Einführung eines Safe Launches ist seit Jahren gängige Praxis und macht Sinn, dies ebenfalls im Control Plan mit einzubeziehen.
3. Risikominimierung – Teil 1:
Die Reverse-FMEA- und die Layered Process Audit (LPA)-Methoden wurden in den APQP-Prozess verankert.
Unsere Meinung dazu:
1. Die amerikanische Automobilindustrie hat mittlerweile ebenfalls Gefallen an dem risikobasierten Ansatz aus der DIN EN ISO 9001 gefunden.
2. Auch diese Methoden sind nicht neu. Die Verknüpfung dieser Methoden schon in die Qualitätsplanung zu integrieren, ist ein logischer Schulterschluss.
Anmerkung: Die LPA-Methode wird in der CQI-8: Layered Process Audit Guideline genauer beschrieben.
4. Risikominimierung – Teil 2:
Die AIAG legt größeren Wert auf das Thema Lagerung und Handling, um auch an dieser Stelle das Risiko von Produkten zu minimieren.
Unsere Meinung dazu:
Interessanter Ansatz. Dieser Aspekt hat man bisher vergeblich gesucht.
Auch bei diesem neuen Thema sind wir gespannt, welche Detailanforderungen der AIAG eingefallen sind.
5. Reifegrade in APQP:
Mit der Definition von fünf Reifegraden ist eine bessere Bestimmung der Prozessqualität möglich.
Unsere Meinung dazu:
Wer hat da von der deutschen Methode abgeschaut?
Man kann gespannt sein, wie die Reifegrade benannt sind und welche Inhalte sie haben werden.
6. Lieferantenmanagement – Teil 1:
Durch die Einführung der Reifegrade ist die Einbeziehung der Lieferanten ein Muss. Entsprechende Checklisten sind dafür erstellt worden.
Unsere Meinung dazu:
Auch diese Änderung ist die logische Fortführung der neuen Reifegrade bis in die Lieferkette.
7. Lieferantenmanagement – Teil 2:
Die Anwendung des CQI-19 Assessments (CQI-19 = Sub-Tier Supplier Management Process Guideline) bei der Lieferantenbetreuung soll dazu führen, dass die Lieferanten die Mindestanforderungen der IATF 16949 umsetzen, damit die Lücke zwischen den Kunden- und Lieferantenanforderungen geschlossen wird.
Unsere Meinung dazu:
Schon 2016 ist mit der MAQMSR (Minimal Automotive Quality Management System Requirements for Sub-Tier Suppliers) eine ähnliche Anforderungen in die IATF 16949 eingeflossen. Da die AIAG über eine entsprechende CQI-Anforderung verfügt, lässt sich diese leicht in APQP integrieren.
8. Lieferantenmanagement – Teil 3:
Neue Richtlinien fordern, dass die Qualitätsvorausplanung der Lieferanten in die eigene Qualitätsvorausplanung mit einbezogen werden muss.
Unsere Meinung dazu:
Dass die Lieferanten Teil des gesamten APQP-Prozesses sein müssen, trägt der Tatsache Rechnung, dass dies bisher keine klare Anforderung in APQP war.
Die neuen Anforderungen und Änderungen sind gelungen. Die AIAG bleibt ihrer Linie treu. APQP bleibt APQP und versucht nicht mit einer kompletten neuen Methode einen amerikanischen Reifegradprozess 2.0 zu entwerfen. Verschiedene CQI-Anforderungen APQP zu integrieren, ist sinnig und zeigt, wie alle Anforderungen der AIAG ineinandergreifen. Dass die Lieferantenqualität großen Einfluss auf die eigene Qualität hat, ist nichts Neues. Mit der dritten Edition soll diese wichtige Schnittstelle mit einbezogen werden. Alles in allem, hat man APQP auf den aktuellen Stand gebracht. Methoden, wie die CQI-Anforderungen und die Reverse-FMEA sind schon seit längerer Zeit Bestandteil der Qualitätswelt der AIAG. Wir hätten uns gewünscht, dass die Referenzhandbücher schon vor Jahren überarbeitet worden wären. Vielleicht ist die AIAG aus ihrem „Dornröschenschlaf“ erwacht und weitere neue Referenzhandbücher werden in nächster Zeit veröffentlicht. Wir sind gespannt.
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